Gedichte (163) – Diese eine Zeit

Diese eine Zeit

Sitz mit meinem kleinen Sohn
Zwei Jahre mittlerweile schon
Frühmorgens in der Trambahnfahrt
Die das Kind zur Kita karrt
Um uns Kinder, Jugendliche
Auf dem Weg zum Schulbank-Drücken
Unfassbare Schweissgerüche
Die Sauerstoff im Keim ersticken

Doch deutlich schlimmer sind Gespräche
Vor Coolness und Testosteron
Und Meinung trotzen sie nun schon
Dass ich mich doch ganz gern erbräche

Wer auf wen steht, wer mit wem geht
Wer hat wen mal was gefragt
Und wer hat darauf was gesagt
Lauter Hähne, viele Körbe
Mädels, die man gern umwörbe
Hormonerfüllt und nix dahinter

Da sitz ich in der Tram im Winter
Erinner mich an meine Jugend
Große Sprüche, wenig Tugend
An Stimmbruch, Akne, diesen Scheiss
Den ganzen Mädels-Teufelskreis

Von flirten wollen und nicht können
Peinlich stumpfes Frauen-nachrennen

Schau meinen Sohn an, denk bei mir
Ein paar Jahre bleiben dir
Dann ist vorerst alles zu spät
Ich fürchte mich, mein Sohnemann,
Vor deiner Pubertät

Gedichte (162) – Jeden Montag

Jeden Montag

Jeden Montag wird marschiert
Durch große Städte wird spaziert
So sind sie demonstrierend tätig

Manch alter Gedanke erstrahlt ihnen schön
Ob des neuen Gewandes
Und meine Angst wächst stetig
Vor der Idiotisierung des Abendlandes

Gedichte (161) – Mal wieder

Mal wieder

Mal wieder Abends kinderlos
Das erste Mal seit langer Zeit
Die Vorfreude, ja die ist groß,
Will heut noch weg und bin bereit

Mal wieder raus, mal wieder feiern,
Nee, bis früh morgens tanz ich nicht
Werd auch nicht saufen bis zum reiern
Heimwärts stolpern, hackedicht

Brauch meine Fitness morgen wieder
Gröl heut nächtens keine Lieder
Mampf auf dem Heimweg keinen Döner
Vitamine wären schöner
Werd nur gesittet feiern gehen
Die Welt soll morgen sich nicht drehen
Es muss ja nicht stets überborden

Mann, was bin ich alt geworden

Gedichte (160) – Arbeitsbedingungen

Arbeitsbedingungen

Viel Arbeit, das macht jedes Kind
Weil Kinder ganz einfach so sind
braucht Zeit und auch Aufmerksamkeit
Bringt viel Freude, Heiterkeit

Doch dafür die Bedingungen
Sind natürlich notgedrungen
Keinem Tarifvertrag entsprungen

24-Stunden-Schichten
Wutanfälle musst du schlichten
Pflegen, wickeln, duschen, füttern
All dies obliegt nicht nur den Müttern

Nein, auch Väter dürfen ran
Bis man manchmal nicht mehr kann
Doch ein recht auf Urlaubstage
Statt Gretchen- nun Großelternfrage

Und die, die wohnen weit weit weg
Nicht immer Zeit zu diesem Zweck
Extra so weit anzureisen
Der Alltag würde grob entgleisen

So beschliesst der Arbeitnehmer
Häufig Eltern auch genannt
Wird der Stress immer extremer
Jetzt wird aber mal entspannt

So gibt es alle paar Wochen Tage
Da ist es einfach nicht die Frage
Darf das Kindchen Filme gucken?
Schau wie da unsere Achseln zucken
Kinder-DVDs hinein
Ab auf die Couch, das wird so fein
Wir relaxen, Kindchen glotzt
Heute wird nicht mehr gemotzt
Und auch nichts sinnvolles getan
Ständiger Erziehungswahn

Kriegt das Kind heut Süßigkeit?
Klar, da steht es doch bereit
Wenn die leer sind
– kriegst du mehr, Kind
Iss sie auf, echt, ungelogen
Ab morgen wird wieder erzogen.

Gedichte (156) – Das SinnLos

Das SinnLos

Es war vor langer Zeit ein Los
Dem fehlte es an Kies und Moos
An Aufgabe und Lebenszielen
Wollt nicht arbeiten, nicht spielen

Und fing an, nach dem Sinn zu suchen
Und dann, in einer dunklen Nacht
Hat es sich einen Sinn erdacht
Es sei auf Erden um zu morden
So ist es das SinnLos geworden

Doch bald schon fiel dem Los was auf
Es gab Schwierigkeit zuhauf
Ein Los hat’s mordsmäßig nicht leicht
Wenn niemand es mit Gift bestreicht
Es wird gekauft und freigerieben
Das schadet niemand übertrieben

So ließ es dann den Plan zu morden
Und ist so den Sinn los geworden

Gedichte (155) – Winzig

Winzig

Schau, das ist deine Mama
Die dich in sich trug
Hier bin ich, dein Papa
Sah deinen ersten Atemzug

Winzig kleine Hand
Die meinen Finger hält
Du schönes Menschenkind
Willkommen auf der Welt

Gedichte (154) – Große Fragen

Große Fragen

An manchen langweiligen Tagen
Stell ich mir die großen Fragen:
Wie wohl so ein Iltis riecht?
Wie man auf dem Zahnfleisch kriecht?

Und wer ist wohl Familie Hempel
Und was ist los mit deren Krempel
Unterm Sofa – unerhört
Dass der so viele Leute stört

Doch zumeist dauert’s nicht lang
Bis irgendein Gedankengang
Eilig kommt herbeigeeilt
Und die Gedanken neu verteilt

Gedichte (153) – Homo Misanthropicus

Einen wunderschönen guten Tag zusammen,

für den Dichtungsring bitten wir immer wieder um Themenvorschläge, zu denen Matthias und ich dann Gedichte schreiben. Beim letzten Mal war einer der Themenvorschläge „Die Einsamkeit des U-Bahn-Fahrers auf dem langen Weg von Rudow zum Rathaus Spandau“. Auf diesen Vorschlag hin ist das folgende Gedicht entstanden. Der im Gedicht erwähnte Begriff Frotteur bezeichnet laut Wikipedia übrigens „ein[en] Mensch, der dadurch sexuell stimuliert wird, dass er sich an anderen Menschen reibt.“ 😉

Euch eine schöne Zeit und bis bald,
Arno


 

Homo Misanthropicus

Jan fährt durch die Innenstadt
Von seinem Tagwerk matt und platt
Plötzlich ein Blitz, dazu noch Donner
Ins Auto kracht ein Siebentonner
Der Blitzkasten speichert sein Bild
Wie er hinter dem Lenkrad chillt
Bei Rot über die Ampel brettert
Der Lappen weg, der Golf zerschmettert

Zum Glück braucht’s keine Sanitäter
Jetzt sitzt er ein paar Tage später
Dankbar für die BVG
In der U-Bahn nah der Spree
Von Rudow bis nach Spandau rauf
Nur ungern nimmt er das in Kauf
Der Weg ist weit und elend lang
Doch Arbeit bringt ihm Geld und Rang

Mit ihm teilen sich die Bahn
Und bringen ihn ganz nah dem Wahn

Businessmenschen, Hipster, Säufer
Obdachlosenblattverkäufer
Freaks, Fahrkartenkontrolleure
Miesepeter und Frotteure

Dazu noch Musiker, die stören
Täglich ‘Hit the road, Jack’ hören
Die ganze Strecke der U7
Muss er ne ruhige Kugel schieben
Jan kann es so kaum erwarten
Motorisiert neu durchzustarten

Fürs Fahrrad zu weit
Das Taxi zu teuer
Doch braucht er noch Zeit
Und darf nicht ans Steuer

Drum spart er für Bestechungsgeld
Und ein Auto, das gefällt

Damit von Rudow nach Spandau
Er ohne eine alte Sau
In seiner Nähe zu ertragen
Mit einem nagelneuen Wagen
Er bald wieder fahren kann

Bis dahin wird der junge Mann
Viermal täglich kontrolliert
Bedrängt und es wird musiziert
Zu nervigem Konservenbeat
Nervös zuckt schon sein Augenlid

Weil er so sehr die U-Bahn scheut
Er kommt zum Job macht sich bereit
Beruflich ist Jan Therapeut
Gegen Menschenfeindlichkeit

Gedichte (152) – Zungenbrecherqualität

Zungenbrecherqualität

Für fremde Zungen sind die Sprachen
Oft tückisch und geheimnisvoll
Ob in Husum, München, Aachen
Auch Deutsch erzeugt da manchen Groll
Mit unangenehm komplexen
Wörtern, Silben, ganzen Sätzen

Der nun folgende Beispiel-Satz
Ist sinnlos, doch es war halt Platz:

Tschechische Chemiker checken weit weniger
Als die Rhabarber-Barbara
Deren Sommersprossen sprießen
So wie Wim Wenders wunderbar

Für mich recht einfach auszusprechen
Simpel ist das Zungenbrechen
Doch bin ich hier nie fremd gewesen
Will schnell von Eitelkeit genesen
Dass mir und allen klarer werde
Sag ich es ganz ungehemmt:

Auf dem größten Teil der Erde
Ist halt ein jeder von uns fremd

Gedichte (151) – Zum Jubiläum

Zum Jubiläum

Ich sag es kurz und aufrichtig
Dich, mein Schatz, dich liebe ich
Nicht mehr so wie am ersten Tag
Nein, ganz anders, denn ich mag
und liebe dich viel mehr
Am Anfang kennt man ungefähr
Fünf Prozent einer Person
Das Aussehen und das war’s fast schon
Kombiniert mit ein paar Sätzen
Erst die Zeit lernt einen schätzen
Wer der Partner wirklich ist
Wie weit die eigene Liebe misst
Ich hab so viel von dir erfahren
In all diesen letzten Jahren
Von denen ich nie eins bereute
Was folgt, zu sagen hier und heute
Fällt mir gar kein bisschen schwer:

Ich liebe dich tagtäglich mehr