Gedichte (120)

Einen wunderschönen guten Tag,

der nächste Teil von „Hinter verschlossenen Türen“ lässt leider noch etwas auf sich warten, dafür gibt es jetzt erstmal ein paar Gedichte. Da ich auch dieses Jahr wieder am National Novel Writing Month teilnehme, wird es den nächsten Teil der Erzählung leider erst Mitte Dezember geben, dafür kommen sie ab da dann auch wieder schön regelmäßíg.
Ich wünsche euch viel Spaß mit den Texten, die für den gestrigen Dichtungsring entstanden sind.

Beste Grüße
Arno / Larry


S-Bahn fahren

Und schon wieder S-Bahn fahren
Um mich herum blühen Geschichten
Manch einer tönt mit Großgebahren
Ein anderer ruht zwischen zwei Schichten
So viele beisammen und jeder allein
Zwischen Trends und Moden
Zwischen Sein und Schein
Sie blicken zu Boden
Und sehen sich nicht

Ich sitz hier inmitten
Und schreib ein Gedicht
Über Wünsche und Bitten
Und all jene Sachen
Die die Wesen um mich
Zu Menschen machen
Die in jedes Gesicht
Die Züge meißeln
Und so viel erzählen
Wie sie sich geißeln
Und quälen
Was sie erleben
Wie sie ihr Geschick
In die Tage verweben
Meist genügt schon ein Blick
Und der Stoff reicht mir Jahre
Zum Schreiben und Grübeln
Das was ich erfahre
Dürft ihr mir nicht verübeln
Ich rate ja nur
Und interpretiere
Auf weiter Flur
Und analysiere
Was mir so
begegnet in meiner Welt

Ins Auge mir fällt
Tagtäglich in Scharen
beim S-Bahn fahren

Gedichte (116)

Auf der Straße
Nein, ich möchte nicht spenden
Und ich unterschreib
Nichts auf deinem Klemmbrett
Also bleib mir vom Leib
Ich lauf nicht so eilig hier durch Gegend
Weil ich ein Mensch bin dem langweilig ist
Der Dialog sucht und so gerne bewegend
Erörtert dass die Welt schrecklich unheilig ist
Auch die Kopfhörer, die mir die Ohren verschließen
In Verbindung mit meinem starrenden Blick
Lassen den weisen Geist darauf schließen
Vor diesem Mann treten wir lieber zurück
Der hat’s eilig und will keine Vorträge hören
Sei das Thema auch noch so prekär
Deshalb werden wir den jetzt lieber nicht stören
Und machen uns doch über die Touris her
Mein Desinteresse gilt auch nicht dir als Person,
Naja, obwohl, also irgendwie schon
Aber es ist nicht persönlich
Tust ja nur deinen Job
Wenn auch mehr als gewöhnlich
Doch ich weiß nicht recht ob
Deine Taktik mich hier am Ärmel zu ziehen
So klug ist, man hört ja so oft, Berlin
Sei so ne harte, gefährliche Stadt
In der manch einer ein kleines Aggressionsproblem hat
Ich tu dir schon nix, ich wollte’s nur sagen
Komm später nich an mit Jammern und Klagen
Wenn dir dann doch wer kraftvoll gestresst
Zeigt dass man von Fremden die Finger weglässt
Wenn du mir jetzt nicht mehr meiner Zeit abverlangst

Dann geh ich jetzt weiter und – nur keine Angst.

Gedichte (74)

Sommer in Berlin

Berlin, dein Sommer ist zurück

Parks und Parties, Technobeats

Wo jeder Ort und jeder Kiez

mit dem neuesten Sound beglückt

Flohmarkt, Demo, Liegewiese,

Beerdigung und Mittagspause

wird zur Elektro-Hipster-Sause

Schnieke Klamotten, Hippe Frise

schnell die Gelegenheit gepackt

Menschen wiegen sich im Takt

und es tanzt sich sehr entspannt

mit ’nem Sterni in der Hand

Gedichte (61)

Winter in Berlin

Es ist kalt und es wird noch kälter
verdammter Schnee, da draussen fällt er
Schnee ist nur für’s Snowboard nütze
doch mit Handschuh, Schal und Mütze
sitz‘ ich hier mitten im kalten Berlin
vielleicht wird’s Zeit mal wieder umzuziehen
dahin wo’s keinen Schnee – oder Berge – hat
und erst im Sommer kehr ich dann zurück in die Stadt

Gedichte (57)

Stadtweisheit

Als wollt‘ er sich den Finger brechen
drückt voll Gewalt er auf den Knopf
dass nicht passiert liegt nicht an körperlichen Schwächen
weiß es halt nicht, der arme Tropf

Frust steigt hoch als ihm dämmert, dass es ihm nicht glückt
wenn man lang hier wohnt dann kommt man eines Tages drauf
Und wenn man noch so hämmert und wenn man noch so drückt
solang das Licht nicht leuchtet, geht die U-Bahn-Tür nicht auf!

Gedichte (25)

Ein neues Gedicht, ein ernstes und wieder mal ein nicht-autobiographisches. Und für Leser die nicht aus Berlin sind: Motz ist eine Berliner Obdachlosenzeitung.

Motz

Über den Wolken,
mag die Freiheit grenzenlos sein,
doch ich stehe hier und friere,
es ist kalt, ich bin allein.

Etwas warmes braucht der Mensch,
ich will den Vater Staat nicht fragen,
auch wenn ich kein Zuhause habe,
kann ich mehr tun als nur klagen.

Kein Grund arbeitslos zu sein,
ich will es mir verdienen,
die U-Bahn kommt, da sitzen sie,
mit ihren erfrorenen Mienen,

Ich trete ein und meine Arbeit,
sie nimmt ihren Lauf,
atme tief durch, geh‘ auf sie zu
und sag mein Sprüchlein auf.