Gedichte (142)


Stubenkoller

 
 
Ich sitze hier und kann nicht anders
Ich sitze hier und kann nicht raus
Im Fernseher quatscht Lilo Wanders
Und ich schalte ihn nicht aus
 
Ich genese temporeich
Einer müden Schnecke gleich
Halt‘ mich fern von jedem Tresen
Alle Bücher sind gelesen
Alle Filme sind gesehen
Nicht mal den Rasen darf ich mähen
Muss mich schonen und verdrießen
Kann höchstens mal Blumen gießen
 
Ein so gar nicht wundervoller
Schwer nerviger Stubenkoller
Hat von mir Besitz ergriffen
Und ungekämmt und ungeschliffen
Sitze ich hier doof zuhaus‘
Und kann und darf leider nicht raus
 
Das Fernsehen kaum zu ertragen
Essen schlägt mir auf den Magen
Gesellschaft stärkt des Kopfes Schmerzen
Mir steht die Laune nicht nach Scherzen
 
Und so heißt es weiter warten
Bis die Abwehrkräfte starten
Die Viren sind schwer totzukriegen
Doch wird mein Körper sicher siegen
Inzwischen soll mein Geist verstummen
Lass vom Fernsehen mich verdummen
Vielleicht gelingt’s mir währenddessen
Den Stubenkoller zu vergessen

Ein Lichtlein brennt – Ultrakurzgeschichte

Einen wunderschönen guten Tag zusammen,

Weihnachten steht vor der Tür und ich habe einen neuen Text für euch. Er ist für den Schreibwettbewerb der Lauscherlounge entstanden, das ist das Hörbuch- und Hörspiel-Label von Oliver Rohrbeck (vielen besser bekannt als Justus Jonas von den drei Fragezeichen und die deutsche Stimme von Ben Stiller). Dabei ging es darum, eine Ultrakurzgeschichte – ein großartiges Wort übrigens – zu schreiben, die drei aus mehreren Wörtern enthalten und einer bestimmten Länge entsprechen musste. Die Geschichten der Gewinner (die übrigens bisher großartig sind) gibt es hier zu bestaunen, eingelesen von prominenten Sprechern. Leider hat mein Text nicht gewonnen, aber ich möchte ihn euch dennoch nicht vorenthalten, er gefällt mir nach wie vor.

Ich wünsche euch ein schönes Weihnachtsfest morgen,

Viele Grüße,
Arno / Larry

Ein Lichtlein brennt

Wie es von ihm verlangt worden war, betrat Hans-Peter Punkt 18 Uhr die Halle. Hinter ihm fiel die schwere Eisentür mit einem dumpfen Schlag ins Schloss. Plötzlich herrschte Dunkelheit um ihn herum. Für einen Augenblick dachte Peter an einen Stromausfall, doch wahrscheinlich wollte man ihm nur Angst machen.
Der erste Drohbrief war am ersten Dezember eingetroffen, das wusste er noch ganz genau. Gerade hatte er das Stückchen Schokolade aus dem Adventskalender vertilgt, da war ihm beim Durchsuchen der Post dieser Brief in die Hände gefallen. Aus Zeitungsbuchstaben gebastelt. ‚Was für ein Klischee‘ hatte er gedacht, doch beim Lesen war ihm flau im Magen geworden. Er solle sein Haus dieses Jahr undekoriert lassen, sonst würden schlimme Dinge geschehen. So ein Unsinn. Er war der beste im Dekorieren, er machte sich die meiste Mühe. Er hatte schließlich extra einen Wettbewerb für das am weihnachtlichsten dekorierte Haus der Stadt ins Leben gerufen. Einen Wettbewerb, den er seither selbstverständlich Jahr um Jahr gewonnen hatte. Keiner hatte es geschafft seine Verzierungen und immer neuen Figuren zu überbieten. Manche davon ließ er sogar extra anfertigen und freute sich dann das ganze Jahr auf die Adventszeit. Nein, das konnte er sich wirklich nicht bieten lassen. Doch seither waren jeden Tag aufs Neue Lichterketten verschwunden, Figuren und anderer Weihnachtsschmuck. Aus dem Garten. Vom Dach. Immer wenn er mal schnell Einkaufen war, arbeitete oder schlief – plötzlich fehlte etwas, wenn er sich sein geschmücktes Haus besah. Es hatte ihn fast verrückt gemacht. Und jeden Tag wieder der gleiche Brief im Briefkasten.
Nur heute war es ein anderer gewesen. Diesmal hatte man ihm befohlen in diese Lagerhalle zu kommen, wenn ihm etwas an seinen Sachen lag. Wut, Angst und Irritation wechselten in ihm in rasendem Tempo. Was ihn hier wohl erwartete? Die Dunkelheit war beklemmend. Von irgendwoher drang jetzt leise Musik an sein Ohr. Eine Frauenstimme sang ‚Advent, Advent, ein Lichtlein brennt‘.
Schlagartig flammte in der Halle ein Lichtermeer auf. Er erschrak, geblendet von so viel Leuchtkraft. Von so viel bunt. Das erste was er erkannte war ein Weihnachtsmann, ein Mensch in Verkleidung, der an einem Plastik-Rentier lehnte. An seinem Plastik-Rentier! Er sah sich um und sah noch mehr Menschen, alle in Weihnachtsmann-Kostümen. Und da waren seine Sachen. Die Lichterketten, die Figuren, sogar das große Krippenspiel. Einer der Weihnachtsmänner zog Kapuze und Bart aus. „Robert!“, rief Hans-Peter als er ihn erkannte. „Was machst du hier? Was soll das?“
Er sah Schamesröte im Gesicht seines Sohnes. Dann räusperte er sich. „Entschuldige Papa, wir wollten dir nur einen kleinen Schreck einjagen. Seit Jahren reden wir alle auf dich ein, damit du mit dem Quatsch aufhörst. Immer alles noch heller, noch bunter. Aber du wolltest ja nie hören.“ Robert zuckte mit den Achseln. „So als kleiner Denkzettel.“
Jetzt zogen auch die anderen Weihnachtsmänner ihre Kapuzen und Bärte ab. Hans-Peter erkannte die Sauerlichs von Gegenüber, die Familie Fischer und all die anderen Nachbarn. Alle mit einem Grinsen im Gesicht. Mit einem Lächeln fiel er seinem Sohn in die Arme. Die Nachbarn applaudierten. Doch er lächelte nicht vor Dankbarkeit, sondern in stiller Vorfreude darauf, wie die Nachbarn morgen reagieren würden. Auf ihre Gesichter wenn sie sahen, wie viel prunkvoller als all die Jahre zuvor er über Nacht sein Haus dekorieren würde. Vermutlich war der Postbote gerade dabei, die Pakete bei ihm abzuliefern. Vielleicht würde er die Rechnung von Roberts Taschengeld begleichen.

Gedichte (138)

Einen wunderschönen guten Tag,

ein kleines Gedicht, das ich beim letzten Dichtungsring vorgetragen habe. Der Versuch mich selbst an die Dinge zu erinnern, die mich glücklich machen.
Ich wünsche euch einen schönen und selbstverfreilich glücklichen Resttag,

Liebe Grüße
Arno / Larry

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Was glücklich macht

Das Lächeln meines Kindes
Nach einer ruhigen Nacht
Der Blick in die Morgensonne
Ist man gerade aufgewacht

Eine feine Lieblingsspeise
Dampft in ihrer ganzen Pracht
Ein Tag der sanft vergeht
Vorbeischleicht mit Bedacht

Ein kühles Bier am Abend
Vom Kühlschrank gut bewacht
Der Rhythmus der Musik
Der Stimmungen entfacht

Eine schöne Zeile
Ganz plötzlich erdacht
Ein stimmungsvoller Text
In kurzer Zeit vollbracht

Das alles vereint
Ist was mich glücklich macht

Chuck Norris schafft den Bachelor in Regelstudienzeit

Einen wunderschönen guten Tag,
endlich ist mal wieder Zeit mich zu Wort zu melden. Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht: Ich habe „Hinter verschlossenen Türen“ im Urlaub fertig geschrieben. Leider fehlen noch ein paar Überarbeitungsschritte für die es mir gerade an Zeit mangelt, bis das Ganze online geht. Um euch die Zeit bis dahin zu verkürzen gibt es hier schonmal einen noch unveröffentlichten Text von mir. Er hört auf den Namen „Chuck Norris schafft den Bachelor in Regelstudienzeit“. Ich habe ihn für meinen Auftritt bei der Langen Nacht der Wissenschaften im Juli geschrieben. Er gehört inhaltlich zu meinem Text „Man kriegt kein Fleisch ohne Beilage“ den ihr hier bei Youtube ansehen oder hier lesen könnt, je nach Bedarf. Der ursprüngliche Text ist nach meinem ersten Bachelor-Jahr geschrieben und hat sich langsam ein bisschen überholt angefühlt. Da hatte ich zur langen Nacht die Idee, dass ein Fazit zum Ende des Bachelor-Studiums gut passen würde.

Am 08.10. tritt übrigens ein weiteres Mal der Dichtungsring im Laika in Neukölln zusammen, den ich euch wärmstens ans Herz legen möchte. Dabei sind diesmal Matthias Niklas, Sascha Delitzscher, Marion Alexa Müller, meine Wenigkeit und The Sycamore Tree. Mehr dazu unter facebook.com/dichtungsring

Mit den allerbesten Grüßen,
Arno / Larry

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Chuck Norris schafft den Bachelor in Regelstudienzeit

Und dann stehe ich plötzlich da, mit ein paar Papieren in der Hand, und versuche zu realisieren, was da gerade passiert ist. Die Papiere sind ein Zeugnis, in deutscher und englischer Ausfertigung. Sie enthalten eine Aufzählung von Fächern, Noten und einen akademischen Grad. Ab sofort trage ich einen Titel. Bachelor of Science. Junggeselle der Wissenschaft. Und irgendwie fehlt etwas in diesem Moment. Etwas ganz entscheidendes. Die Fanfaren, die großen Jubelstürme, der Präsident der Vereinigten Staaten, oder zumindest der der Universität, der einem gratuliert. Menschen, die einen auf Händen durch den Flur tragen, Fans, die voller Bewunderung angelaufen kommen um einen Blick auf diesen Menschen zu erhaschen, der es tatsächlich geschafft hat. Auch wenn man es sich nicht eingestehen will, irgendwas in der Richtung hat man erwartet.
Stattdessen stehe ich in einem mäßig beleuchteten Flur voller Menschen, die mich keines Blickes würdigen. Menschen, die nur ernst und monoton immer wieder auf ihre Wartenummer und die Anzeige mit den leuchtenden Ziffern blicken. Wartenummer. Anzeige. Wartenummer. Anzeige. Ein Gong ertönt, die Ziffer springt eins nach oben, jemand geht hinein. Der Rest blickt wieder auf seine Wartenummer. Dann wieder auf die Anzeige. Wenigstens ein Schulterklopfen sollte ja drin sein, aber dafür müsste ich einen von diesen Menschen kennen und dem ist nicht so.
Soeben habe ich meinen ersten Abschluss gemacht. Und während den drei Jahren eine Menge Menschen gehen sehen, einen ganzen Haufen Zeug gelernt und einen gigantischen Berg an Dingen vergessen. Vielleicht war einiges von dem Druck den man gespürt hat nicht so systembedingt wie anfangs geglaubt. Vielleicht wäre es klüger gewesen, es ruhiger angehen zu lassen. Vielleicht wäre jetzt ein guter Zeitpunkt sich zu betrinken. Wenn schon keine Fanfaren und Jubelstürme, dann eben Sturm auf die Leber.
Aber streng genommen ist es zehn Uhr morgens und eventuell noch etwas früh dafür. Ich denke an die letzten Jahre zurück. An die Leute, die mit mir das Studium begonnen haben. An die, die erklärt haben, dass sie Informatik studieren wollen, weil sie Computerspiele mögen und sich mit dem Computer auch so ganz gut auskennen. An die, die in der Vorlesung World of Warcraft gespielt haben. Als die dann mal gegangen waren, stellte sich heraus, dass ich tatsächlich mit ganz normalen Menschen studiere, dass sich sogar der eine oder andere erstaunlich kluge Kopf unter ihnen verbirgt. Meine Füße tragen mich in eine unserer Cafeterien. Es mangelte vielleicht an Studentenpartys, wie ich sie mir vorgestellt hatte, aber immerhin gibt es hier auch am frühen Mittag schon gekühltes Bier zu kaufen. Ich lasse mich an einem Tisch nieder, trinke und beobachte die anderen.
Jetzt darf ich mich also für den Rest meiner Tage Bachelor nennen. Vor mir reihen sich zwar keine willigen Damen auf, die eine Rose geschenkt bekommen wollen, aber das war auch nicht wirklich zu erwarten.
 Mir fällt ein Satz ein, den ich mal auf einem Demo-Transparent gelesen habe. „Chuck Norris schafft den Bachelor in Regelstudienzeit“. Zugegeben, ich habe meinen Bachelor auch in sechs Semestern geschafft. Aber ich habe während dem Studium auch eine Gedichtreihe verfasst, die „Genesungslyrik“ heißt und im Krankenhaus und auf Kur an der Ostsee geschrieben wurde. Vielleicht, denke ich und trinke mein Bier aus, vielleicht ist es keine besonders gute Idee, sich mit Chuck Norris messen zu wollen.

Gedichte (136)

Relativ schwer

Die Lungen werden enger
Die Luft zum Atmen fehlt
Atemzug um Atemzug
Der meinen Brustkorb quält

Werden die Schmerzen größer
Die Panik baut sich auf
Die Bewegungen nervöser
Angst vor dem weiteren Verlauf

Der Versuch fällt schwer
Alles zu relativieren
Der eigene Körper ist viel näher
Als fremdes Leid bei Mensch und Tieren

Hungersnöte, Weltschmerz, Krieg
Und die Sorgen anderer Leute
Gier, die statt Sozialem siegt
Allzu oft im Hier und Heute

An all das will ich denken
Doch er fällt wahnsinnig schwer
Der Versuch mich abzulenken
Die Lungen quälen allzu sehr

Und so muss ich mit ernstem Herzen
In aller Ehrlichkeit gestehen
Was kümmert mich das Weltgeschehen?
Ich will nur atmen ohne Schmerzen
Und langfristige Hoffnung sehen

Gedichte (135)

LyrikPlag

Es war dereinst mal ein Poet
Der grübelte im Stillen
Wie Autorenruhm entsteht
Er war getrieben von dem Willen

Feine Zeilen zu verfassen
Mit den Großen sich zu messen
Sich fröhlich inspirieren lassen
Und notfalls dafür zu vergessen

Wem genau der Text gehört
Man könnte sich da ja bedienen
Ist zwar ein wenig unerhört
Ein böses Spiel mit guten Mienen

Wie fest gemauert in der Erde
Steht er da und starrt gebannt
Heut noch soll es lyrisch werden
Gefällig und ganz schnell zur Hand

Er grübelt so spät bei Nacht und Wind
Welche Autoren zitierenswert sind

Und kurz und gut und jedenfalls
Und ganz im Allgemeinen
Der Dichter, der fand leider als
Er plagiieren wollte, keinen

„Gott sei Dank! Schon ist’s vorbei
mit der Übeltäterei!!“
Und so folgte der Durchbruch dann doch leider nicht
Und die Moral von der Geschicht?

Wer jetzt keinen Text hat, der schreibt keinen mehr
Wer jetzt nicht berühmt ist, der wird es auch bleiben
Wird wachen, lesen, sich Schnaps einverleiben
Und auf ewig an Sätzen wie diesen rumschreiben

Gedichte (134)

Schöpferglück

Einsam ist es oft, zu Schreiben
Mit Ideen schwanger gehen
Sie aus dem Hirn aufs Blatt zu treiben
Wachsen und entstehen sehen

Sind sie dann in voller Pracht
Schlussendlich aufs Blatt gebracht

Regt in der Autorenbrust
Sich Schöpferglück biblischer Maße
Freude und die starke Lust
Es jedem Menschen auf der Straße

Einzeln lauthals vorzutragen
Doch würde mancher mich verklagen

Da nicht jeder Lyrik mag
Egal wie episch oder schlicht
Da Erinnerung finster nagt
An Folter im Deutschunterricht

Was hat der Autor sich gedacht?
Warum hat er’s grad so gemacht?

Und so behalte ich’s für mich
Bleibe fern der vollen Straße
Verbreite meine Lyrik nicht
In allzu nervtötendem Maße

Schreib Gedichte zuhauf
Über Schuld oder Sühne
Und hebe sie mir alle auf
Für meine Lyrik-Lesebühne

Gedichte (133)

Weiter Weg

Ein weiter Weg liegt vor
Und ein weiter hinter uns
Die Temposchwankungen der Zeit
Sind ihre eigene, feine Kunst

Heut hab ich nicht viel zu sagen
Keine neuen, offenen Fragen
Nur schöne simple Lebensfreude
In diesem standfesten Gebäude
Das uns unsere Liebe baut
Wo man sich schützt und sich vertraut

Heut wollt‘ ich nur, dass ich dir sag:
Ich freu mich über jeden Tag

Gedichte (132)

Eine Ode an Ikea

Oh welch großer blauer Tempel
Hier so vielerorts präsent
Voller Möbel, voller Krempel
Durch dessen Gänge niemand rennt

Bis hin zu den Kassendamen
Wird hier geschlendert und geguckt
Da ein schöner Bilderrahmen
Hier ein kleines Kind, das spuckt

Egal wie kurz die Einkaufsliste
Wie wenig man auch kaufen will
Nach zwei, drei Stunden endlich biste
Am Auto – vollgepackt mit Müll

Zwar auch was du kaufen wolltest
Doch obendrauf gesellen sich
Gläser, Tassen, kleine Boxen
Und Teelichter noch zusätzlich

Erschöpft langst du zuhause an
Und schwörst dir nie zurückzukehren
Doch der Wille hält nicht lang
Kannst nicht ewig dich erwehren
Wirst bald den blauen Tempelbau
Erneut mit Einkaufslust beehren

Gedichte (130)

Warum ich so zufrieden bin

Was ist denn nun schon wieder lustig
Fragst du wenn ich lache
Wenn ich meine Zeit genieße
Fragst du was ich nun schon wieder mache

Warum ich so zufrieden bin
Fragst du allen ernstes
Und da sag ich ganz bewusst:

Weil ich von hier weggehen kann
Und du stets bei dir bleiben musst