Gedichte (84)

Genesungslyrik II – Teil 5

Klimatherapie

Des Wandrers stete Schritte stapfen
Durch Dreck und kleine Tannenzapfen
Abgeworfene Blätter, Wasser
Sein Schuh wird nass und immer nasser

Alles so voller Natur
Eignet sich grandios zur Kur
Nun wollen wir mal loskurieren
Denkt er sich so beim marschieren

Wir atmen ein, wir atmen aus
Luft kommt herein und zieht hinaus
Dies wird noch mehrmals so getan
Voller Inbrunst und Elan

Doch dann wird es ihm langweilig
Sehnt sich nach Berlin zurück
Nach Internet und iPod Touch
statt guter Luft und Waldesmatsch

Handy, Facebook, Fernsehkiste
Die meterlange Stichpunktliste
Streß, vertrauter Straßentrubel
Spätkauf, Saturn, Hugendubel

Was soll er tun, hier an der See
vom Frühstück bis zum Mittagstee?
Ohne Planungsdruck, Zeitmangel
Hektik und S-Bahn-Platzgerangel

Wie soll man sich denn hier entspannen?
Zwischen all den stillen Tannen
Wo doch so gar nichts hier passiert
Man stets nur läuft, ins Leere stiert

Die Stille kommt ihm spanisch vor
So ohne Kopfhörer im Ohr
Ohne Technik, unverstärkt
Hat er sie noch nie bemerkt

Wie ging das noch, sich auszuruhen?
Was muss man denn dabei dann tun?
Wie entspannt man effektiv,
schnell und möglichst intensiv?

Das Entspannen strengt ihn an
Weil er es lang schon nicht mehr kann
Und so geht’s bald verspannt zurück
Ins schnellebige Großstadtglück

Gedichte (83)

Genesungslyrik II – Teil 4

Was man nicht kennt

Muss schlimm sein, diese Atemnot
sagt sie zu ihm beim Abendbrot

schlimm ist nur, was man nicht kennt
denkt er da leise, spricht’s nicht aus
was man vertraut beim Namen nennt
verliert an Einfluss und an Graus

Sind sicher furchtbar diese Schmerzen
sagt sie zu ihr, Mitleid im Herzen

schlimm ist nur, was man nicht kennt
was nicht vertraut ist und gewohnt
denkt sie leise, schweigt gehemmt
weil Reden sich ja doch nicht lohnt

Was man kennt, kann man ertragen
hört sie sich dann leise sagen
Nur der Rest, der Schmerz von Morgen,
der macht mir noch manchmal Sorgen

Gedichte (82)

Genesungslyrik II – Teil 3

Ein menschliches Stillleben

Ein alter Mann mit müden Augen
mit Knochen die zu nichts mehr taugen
und nettem Lächeln im Gesicht
hat Schmerzen, dennoch klagt er nicht
ein Rollator hilft, sich zu bewegen
Grüßt freundlich kommt er mir entgegen

und hätt‘ ich einen – ich zög‘ den Hut
vor seinem stolzen Lebensmut
auch noch in solchen schweren Tagen
den Kopf so aufrecht hoch zu tragen

Gedichte (81)

Genesungslyrik II – Teil 2

Gegen das Jammern

Manches ist auf dieser Welt
nicht so, wie ich’s mir vorgestellt
kaum einem ist die Kunst gegeben
das was er hat auch zu erleben

das Jammern fällt ihm nicht so schwer
geniessen doch dagegen sehr
zu jammern scheint auch dies‘ Gedicht
doch schliessen will ich damit nicht

ich freu mich heut mal ganz bewusst
der ungetrübten Lebenslust
zieh‘ die Luft ein in die Lungen
atme tief und ungezwungen
schau‘ mir schöne Landschaft an
und erfreue mich daran

Lauf am Meer landauf, landab
Sand und Dünen nicht zu knapp
Salz in der Luft und Sand im Schuh
Hier eine Mäh, da eine Muh,

Alles windet sich im Wind
Genieß‘ die Tage wie ein Kind
mit großen Augen und bewusst
voll ungetrübter Lebenslust

Leg mich dann früh am Abend hin
im Geiste hier und in Berlin

Genieße meine kleine Welt
und bevor Schlaf mich befällt
kommt ein Gedanke bei mir an
erfreue mich noch kurz daran
dann schlaf ich lächelnd tief und fest

die Welt ist schön, wenn man sie lässt

Gedichte (80)

Einen wunderschönen guten Morgen,
da ich mal wieder im Auftrag meiner Gesundheit unterwegs bin, gibt es ab heute die Fortsetzung der Gedichtreihe „Genesungslyrik“. Jeden Tag mindestens ein Gedicht, wobei sie sicherlich nicht alle thematisch damit zu tun haben werden.

Fühlt euch gegrüßt
Larry deVito

Genesungslyrik II – Teil 1

Mangelerscheinung

Morgens wenn ich halb noch schlafe
fehlt schon die Wärme neben mir
so kalt und leer, einsame Strafe
ich bin leider nicht bei dir

Wochen, Tage, Stunden,
das alles steht noch hier im Raum
schon jetzt zähl‘ ich die Sekunden
streich sie ab, des Nachts im Traum

Alles was hier fehlt bist du
den ganzen Tag von früh bis spät
am Tag und Nachts und immerzu
während zäh die Zeit vergeht
auf ihre schwerfällige Weise

Und ich sitz hier, ganz allein
hoff, am Ende dieser kleinen Reise
wird es das wert gewesen sein

Gedichte (79)

Offene Ohren und ein Lächeln

Ich spreche nicht für unsere Generation
und nicht über falsches Recht
nicht für unsere Nation
und über mein Geschlecht

Muss nicht die Welt bewegen
nur den Stift auf dem Papier
noch keine Lust ihn wegzulegen
so viele Worte fehlen mir

Bin nicht Wecker und nicht Wader
nicht Georg Schramm, nicht Josef Hader
Was ich sage erweckt keine Revolution
offene Ohren und ein Lächeln,
das genügt mir schon

Bin nicht Bill Kaulitz und nicht Sido
nicht Mario Barth und nicht Bushido
füll‘ keine Stadien, keine Hallen
muss nicht jedermann gefallen

Werd‘ nicht die Welt bewegen
nur den Stift auf dem Papier
hab keine Zeit ihn wegzulegen
so viele Worte fehlen hier

Gedichte (78)

Ade FDP

Am Horizont, da sieht man sie verglühen
Kometenhaft und inhaltsleer
Man erkennt sie ohne Mühen
Selbstbewusst, bedeutungsschwer

Auf ihrem bisher besten Weg
Bis zum Abgrund und noch weiter
Beliebtheit auf dem schmalen Grat
Zwischen Beulenpest und Eiter
Wo dreiste Sprache sinnlos waltet
Ward Wählergunst schnell ausgeschaltet
Guidos Stimmung ist verdrießlich
Denn bei der nächsten Landtagswahl
Steht Projekt 18 ausschließlich
für ihre Mitgliederzahl

Ein solcher Niedergang
der gibt Hoffnung für die Welt
Die Lobbyisten stehen im Regen
Ein Hauch Vernunft
der in die Politik Einzug erhält

Vielleicht wird eines Tages
auch Frau Merkel abgesetzt
Und Sarrazin muss
schweigend Straßen fegen
Die Hoffnung stirbt zuletzt

Gedichte (77)

Kompromiss

Die Gemüter sind erhitzt
Die Sache hat sich zugespitzt
Die Presse gießt noch Öl ins Feuer
Welcher Staatsmann ist wie teuer?

Kritiker, die in Reden sich erregen
Politiker – sie sollen ihr Gehalt darlegen
Und aufhören zu kassieren
Von den Firmen die sie schmieren

Diskussionen fließen hin und her
Argumente wiegen schwer
Selbst das Volk ist aufgebracht
Allerorts Verdruss entfacht

Doch hier mein Vorschlag zur Güte:
Wir drucken Jacken, Mäntel, Hemden, Hüte
Mit den Namen der Sponsoren
Der Regierung geht kein Cent verloren

Doch wie im Sport sieht man dann gleich
Wer macht welchen Staatsmann reich
Wer wird hier von wem bezahlt
Ich hab’s mir genau ausgemalt

Entscheidungen werden leicht verständlich
Die Politik, sie klärt sich auf
Die Not zu Lügen sinkt schlussendlich
Warum kam noch niemand drauf?

Auch für die Optik wär’s famos
Das Grau in Grau wären wir los
Wir bringen per Sponsorvertrag
Mehr Farbe in den Bundestag

Resteessen (3)

Hier sind ein weiteres Mal ein paar Brocken, die eigentlich Gedichte werden wollen, aber es entweder noch nicht zu Gedichten geschafft haben oder schon so lange auf dem Abstellgleis sind, dass sie es wohl nie schaffen werden. Ein paar haben es immerhin bis zu einem Titel gebracht.
Viel Spaß damit!

Szenemenschen

Herausgeputzt als gelt‘ es heut
Der Geisterbahn die Furcht zu lehren

Stetig führt mein Weg mich weiter
Die Zeit vergeht so rasend schnell
Was geschieht stimmt mich nicht heiter
Die Lunge schmerzt, das Licht brennt grell

Ich könnte aufstehen, losgehen
Der Welt zeigen wer ich in
Mit Schirm und Charme und gern gesehen
Wohin mich auch die Schritte tragen
Würd‘ meine Botschaft ich verkünden
alles and’re überragen

Ich sitze zuhause und scheibe Gedichte
Wenn ich so manches Mal vergangene Zeiten nachbelichte
Ihnen Raum geb zum Entwickeln
Stellt sich mir oft eine große Frage
Wann immer ich lyrisch jubel und klage
stundelang an Zeilen frickel
Steht sie im Raum und sieht mich blöde an
Und nur selten trau ich mich an sie heran
Aus Angst, die Antwort gefiele mir nicht

Heben wir die Gläser
Trinken wir auf alte Zeiten
Wer wir sind und einmal waren
Auf den Weg, den wir bestreiten
Kommt, leeren wir in einem Zug
Was uns von der Ekstase trennt
Erinnern die Vergangenheit
Solang‘ uns noch die Kehle brennt

Und als der Tod den Raum betrat
Saßen sie still in ihren Stühlen
Vor Angst gelähmt, er konnt‘ es fühlen
Als ein kleiner Junge leise bat:

Gedichte (76)

Ein Gedicht, das schon vor ungefähr einem Jahr entstanden ist. Ich dachte mir, es hat eigentlich noch einen eigenen Post verdient. Es ist ein kleiner Tribut Rainer Maria Rilke, einen der – wie ich finde – großartigsten Dichter und versucht, einen sehr berühmten Text von ihm ein wenig zu aktualisieren.

Herbsttag – eine lyrische Adaption für den Herrn Rilke

Herr, es ist Zeit
Der Sommer soll sich dem Ende zuneigen
Leg deinen Schatten auf die Badestrände
Lass alle ohne Ende bei Facebook ihre Bilder zeigen
Befiehl den letzten Nordic Walkern heim zu gehen
Schick ihnen ruhig Regen und Hagel
Dräng sie von den Hängen Weg und jage
Mit Donnergrollen auch Surfer und Angler von den Seen

Wer jetzt kein Haus hat sollte einen Makler anrufen
Wer jetzt allein ist wird sich schon die Zeit vertreiben
Fernsehen gucken oder anderen bei Partnerbörsen schreiben
Und wird vor seinem Haus die wenigen Stufen
Endlos streuen, damit Besucher stets am Leben bleiben