Hinter verschlossenen Türen (2)

Einen wunderschönen guten Abend,

ich habe mich sehr über die Reaktionen zum ersten Teil der neuen Erzählung gefreut. Dieses Mal gibt es eine Premiere: Zum ersten Mal ist der aktuelle Stand der Geschichte auch als Ebook im MOBI-Format verfügbar. Falls noch andere Formate gewünscht werden, schreibt mir einen Kommentar oder eine E-Mail. Der nächste Teil soll wieder in ca. 2 Wochen erscheinen, also um den 10.September herum. Ich wünsche euch allen eine angenehme Woche

Fühlt euch gegrüßt,

Arno / Larry

Hinter verschlossenen Türen – PDF

2.  Kapitel

Toni war ein kleiner Fisch. Ein Handlanger, der keine wichtige Rolle spielte, und kaum jemals vertrauliche Informationen besaß. Bis man innerhalb der Hierarchie zu den Leuten gelangte, die wichtig waren, musste man von Toni aus viele Ebenen nach oben klettern. Kaum einem der so weit unten stand wurde je die Ehre zu teil, einen der beiden Köpfe der Organisation – die Brüder Adamo und Alessio – zu treffen. Doch ihm war diese Ehre heute gewährt worden und er war alles andere als glücklich darüber. Zumindest hatte er Adamos Umrisse gesehen und dessen Stimme gehört, die ihm aus dem Halbdunkel heraus Fragen gestellt hatte. Eine einzelne Glühbirne beleuchtete flackernd die Stelle, an der Toni zu stehen hatte. Es würde sich nicht lohnen, nun Tonis Aussehen und Gestalt näher zu beschreiben. Nicht weil er so ein kleiner Fisch war, der Grund dafür ist von einfacherer Natur.
Mit einem kräftigen Ruck zog Alessio das lange, gezackte Messer mit dem silbernen, eingravierten Adler im Griff wieder aus Tonis Rücken. Während dieser zu Boden ging erklang aus seinen Lungen ein letzter, erstickter Schrei. Für einen Augenblick herrschte im Raum vollkommene Ruhe. Dann trat Adamo in den Schein der Lampe und wandte sich mit ernstem Blick an die Zuschauer, die die letzten Minuten an den Wänden aufgereiht schweigend verfolgt hatten.
»So wird es jedem ergehen, der versucht mich oder meinen Bruder ans Messer zu liefern. Ich weiß, dass das Kopfgeld auf uns beträchtlich ist, umso besser müsst ihr eure Leute im Auge behalten.« Schweißperlen standen auf seiner Glatze, der 3-Tage-Bart und die Augenringe ließen ihn müde wirken, doch seine braunen Augen waren hellwach und trotz des schwachen Lichts hatte jeder im Raum das Gefühl, dass Adamos durchdringender Blick besonders lange auf ihm ruhte.
»Es ist kein großer Schaden entstanden. Er hatte keine Informationen, die unser Unternehmen hätten ernsthaft gefährden können, aber sie werden an der Universität jetzt umso wachsamer sein. Jeder hält sich penibel an meine Anweisungen, dann könnt ihr alle in wenigen Wochen mit deutlich besser gefüllten Taschen nach Hause gehen.«
Es klopfte an der Tür. Die Blicke der Anwesenden wanderten zur Tür, besorgt, es könnte eine Horde Polizei-Roboter davor stehen. Alessio war der einzige im Raum der seinen Bruder gut genug kannte, als dass er bei seinem Anblick erkannt hätte wie er bei dem Geräusch für einen winzigen Moment seine Selbstbeherrschung verlor und zusammenzuckte. Ein Zeichen davon, wie sehr die letzten Wochen an seinen Kräften gezehrt hatten. Doch auch er blickte in Richtung Tür.
Der Mann der eintrat sah keineswegs aus wie ein Polizei-Roboter. Dank des wenigen Lichts im Raum waren nur seine Umrisse zu sehen. Er sah abgemagert aus, wirkte aber nicht schwach oder gebrechlich.
»Skinny, du kommst genau richtig«, ergriff Adamo wieder das Wort. »Warte kurz. Wir sind hier gleich fertig.«
Damit wandte er sich wieder an den Rest seiner Vertrauten. »Die Aktion wird kompliziert, möglicherweise komplizierter als alles, was wir je gemacht haben. Also passt auf was ihr tut, was ihr sagt und mit wem ihr sprecht. Haltet euch an die Anweisungen. Wenn es Probleme gibt, sagt mir oder Alessio Bescheid. Es darf nicht noch mehr Fehler geben.« Er warf Tonis sterblichen Überresten einen abschätzigen Blick zu. »Ihr könnt gehen, und nehmt diesen Typen mit.«

»Denkst du, dieser Toni kann uns Probleme machen?«
Sie saßen in einem kleinen Konferenzraum im selben Gebäude. Skinny hatte gegenüber den beiden Brüdern Platz genommen und nachdenklich sein Kinn auf die Hand gestützt. Bei Licht war sein vernarbtes, mageres Gesicht kein angenehmer Anblick. Alessio antwortete ihm: »Ich denke, er wusste kaum etwas und hat versucht zu bluffen um das Kopfgeld zu bekommen. Die Cops hätten aus ihm aber auf jeden Fall die Namen seiner Kontakte herausbekommen können, wenn sie es nicht schon getan haben.« Seine schnarrende Stimme strahlte nicht die Souveränität und Autorität aus, die der ruhige Bariton seines Bruders verbreiten konnte. »Wir mussten ein Exempel sstatuieren. Vielleicht haben wir die Zügel in den vergangenen Monaten ein bisschen zu locker gelassen. Ohne Peter gab es nicht viel zu tun.«
»Womit wir auch beim Thema wären«, schaltete sich Adamo ein. »Du musst Peter aus dem Knast holen, ohne ihn schaffen wir es nicht.«
Skinny zog die Augenbrauen hoch. »Euch ist aber bewusst, dass es seit bestimmt 50 Jahren keinen Ausbruch gegeben hat, oder? Nicht, dass es nicht versucht worden wäre. Und selbst wenn wir es irgendwie schaffen, haben wir in kürzester Zeit drei oder vier Hundertschaften am Arsch kleben. Ihr müsst ganz schön verzweifelt sein.«
»Wir sind nicht verzweifelt«, zischte Alessio. »Glaubst du, wir haben all das nicht bedacht? Glaubst du wir wissen nicht selbst, was das für ein Risiko ist?«
»Beruhig dich, Brüderchen. Beruhig dich« Adamo hob beschwichtigend die Hände. »Und setz dich wieder. Kein Grund, sich aufzuregen. Wir sind nicht verzweifelt und auch sicher nicht lebensmüde, falls du dir da Sorgen machst. Ich arbeite seit seiner Verhaftung daran, einen Weg zu finden, ihn aus dem Knast zu bekommen. Wir können dir einiges an Material geben, für das Feintuning  und die Umsetzung bist du zuständig.«
Skinny kratzte sich nachdenklich am Kinn.
»Dein Grinsen sagt mir, dass du irgendein Ass im Ärmel hast, Adamo. Was macht dich so sicher, dass es machbar ist, Peter rauszuholen?«
»Wir haben letzte Woche einen AS1 aufgetrieben, dessen Rückenpanzerung offen war. Ansonsten ist er soweit wir erkennen konnten voll funktionsfähig. Wir haben es geschafft, seine Steuerung zu überbrücken und haben jetzt unseren privaten Polizeiroboter, der wenn alles glatt geht freien Zugang zu Peters Zelle haben müsste. Komm mit, ich zeig ihn dir.«
Adamos Handy klingelte. Wortlos reichte er es nach einem kurzen Blick darauf an seinen Bruder weiter, dann bedeutete er Skinny mitzukommen. Als sie durch die Gänge liefen, konnte Adamo die Zweifel auf Skinnys Gesicht ablesen. Gefängnisausbrüche waren ein schwieriges Thema, es gab kaum noch Menschen die sie überhaupt für möglich hielten. Noch vor einem Jahr hätte er selbst den Gedanken daran für lächerlich erachtet, aber jetzt hatten sie keine Wahl. Jeder andere Verlust wäre kein Problem gewesen, aber ohne Peters Fähigkeit die unmöglichsten Raubzüge bis ins kleinste Detail exakt zu planen und durchzuführen, war richtig große Beute ein Ding der Unmöglichkeit. Die Roboter der Polizei waren schlicht zu gut. Sie schliefen nicht, waren nie unaufmerksam und die Sicherheitsvorkehrungen der Universitäten, Labors und öffentlichen Einrichtungen waren zu perfekt.
Der Raum, in dem der AS1 verwahrt wurde, war ein Lagerraum für Technik, so lang wie eine Turnhalle, aber nur mit einer niedrigen Decke ausgestattet. In langgezogenen Regalen lagen Artefakte, die bei allen möglichen Unternehmungen in der Vergangenheit Verwendung gefunden hatten. Als sein Blick auf eine große, leicht verrostete Kettensäge fiel, schlich sich ein Lächeln auf Adamos Gesicht. Die Sache mit dem Bauunternehmen. Das waren noch Zeiten gewesen.
»Wie habt ihr das geschafft?« Skinny stand vor dem AS1 und betastete die Schweißnaht an der Rückseite. Ich dachte, es wäre unmöglich die Dinger irgendwo zu öffnen, ohne dass sie vollkommen unbrauchbar werden. Habt ihr ihn schon getestet?«
»Klar. Er funktioniert tadellos. Und glaub mir, wenn ich auch nur die geringste Ahnung hätte, wie man es schafft, sie vom Netz zu nehmen  und zu öffnen, würden hier hunderte dieser Dinger rumstehen, aber fürs Erste haben wir nur den einen zur Verfügung. Ich versuche Informationen zu beschaffen, wie wir mehr bekommen können. Das würde vieles erleichtern.«
Skinny schien durch die Gegenwart des AS1 an Zuversicht gewonnen zu haben.
»Ok, nehmen wir mal an, ich bekomme das hin«, sagte er nun mit einem Blick, wie ihn Alessio schon seit Monaten nicht mehr an ihm gesehen hatte. Die Vorstellung, den ersten Gefängnisausbruch seit Jahrzehnten zu verwirklichen, schien langsam ihren Reiz zu entfalten. »Angenommen, ich bekomme Peter aus dem Knast heraus. Wie geht es dann weiter? Wir müssen schnell von der Bildfläche verschwinden können.«
»Kein Problem. Wir haben ein Haus nicht weit entfernt gefunden, das seit ein paar Wochen leer steht. Dort kann er sich fürs Erste verstecken. Wenn die Aktion in der Uni gelaufen ist, überlegen wir uns was Längerfristiges. Aber denk daran: Auch wenn du ihn befreist – Er wird nicht begeistert sein, dass wir ihn so lange haben schmoren lassen, aber ich rede mit ihm wenn er hier ist.«
»Okay, schreib mir die Adresse auf und gib mir alles, was du über Peters Trakt und Zellennummer weißt. Ich werde schauen was ich tun kann. Wie viele Tage hab ich?«
»Höchstens drei, besser weniger. Du kannst…«
Hinter ihnen ging die Tür auf und Adamo trat ein. Sein Blick war ernst und er wirkte außer Atem.
»Lewandowski hat angerufen. Wir haben ein Problem.«

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